Eloain Lovis Hübner, künstlerische Leitung
ich freue mich außerordentlich, Sie im letzten Jahr meiner künstlerischen Leitung zum Musik 21 Festival in Helmstedt begrüßen zu dürfen, einer Stadt, in der ich selbst einige Jahre meiner Schulzeit verbracht habe. Dieses seit 2008 vom Netzwerk Musik 21 Niedersachsen durchgeführte Festival findet alle zwei Jahre in Hannover und in den dazwischenliegenden Jahren an wechselnden Orten im gesamten Flächenland statt und trägt dabei jeweils ein bestimmtes Motto. 2024 ist es ÜBERGÄNGE – und welches Schlagwort wäre naheliegender, um an die bewegte Geschichte Helmstedts anzuknüpfen, das sich als ehemalige Hanse-, Universitäts-, Braunkohle- und Grenzstadt (und heutiger Gedenkort) immer wieder neu erfinden musste oder durfte?
ÜBERGÄNGE sind in unzähligen Lebensbereichen präsent, mit oft ambivalenten Bedeutungen und Konnotationen. Jeder Mensch erlebt individuelle ÜBERGÄNGE vielfältiger Art im eigenen Leben. Auf politischer Ebene ist die „Zeitenwende“ seit einiger Zeit ein prägendes, hoch umkämpftes Schlagwort, das der Tatsache Rechnung trägt, dass wir uns als Gesellschaft schon längst in umfassenden, komplexen ÜBERGANGS-Prozessen befinden – bei vielen von ihnen meinen nur die Populist:innen beantworten zu können, ob wir zum eindeutig Besseren oder Schlechteren gelangen. Doch auch nur sie können bestreiten, dass etwa der Klimawandel uns ÜBERGÄNGE zu einem anderen, ganzheitlich nachhaltigeren Handeln und zu einem neuen Sicheinstellen auf regelmäßige Extremwetterereignisse vorschreiben wird. Die Welt ist unübersehbar in rasantem Wandel, und vor uns sichtbar ausgebreitet liegt nur ein Bruchteil des Mosaiks aus Herausforderungen und Gefahren, aber auch aus Chancen und Fortschritten, dessen Nebel sich im Laufe unseres Jahrhunderts sowohl weiter lichten als auch vertiefen wird.
ÜBERGÄNGE: Das können aber auch die kleinen Transitionserlebnisse, die besonderen Momente des Alltags sein – wenn wir etwa den Stress ablegen und uns auf Entspannung einlassen können, oder auch, wenn wir nach einem Konzert, einem Kinofilm,einem Ausstellungsbesuch, einer Lesung ein wenig verwandelt „ins Außen“ zurückkehren. Oft begleiten uns dabei neue Gedanken und Ideen, tiefe Emotionen oder das Gefühl, ein kleines Stückchen mehr von der Komplexität und Vielfalt der Welt – oder von uns selbst! – verstanden zu haben. Oder wir fühlen uns ratlos, verärgert, weil uns etwas nicht zugesagt, angesprochen, erreicht hat. Auch das ist mitunter Teil des schönen Wagnisses, Unbekanntes und Neues zu entdecken!
In diesem Sinne lade ich Sie ganz herzlich ein, gespannt zu sein auf ungewöhnliche Klänge, auf die unterschiedlichen Assoziationen und Zugänge zu ÜBERGÄNGEN, die uns die hochkarätigen Künstler:innen aus Niedersachsen, Weimar, Hamburg, Frankfurt am Main, dem Ruhrgebiet, London u.a. eröffnen werden! Ich bin mir sicher, nicht nur rein musikalisch wird es viel Aufregendes zu hören geben, sondern wir werden auch erleben, wie Klang in der Lage ist, Räume zu verwandeln, und wie interdisziplinäre Kunst – in Klang, Bild und Performance – auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen Bezug nehmen kann.
Ich möchte dem Team von Musik 21 Niedersachsen und dem Vorstand von Musik 21 – NGNM e.V. für die tolle Zusammenarbeit und das Vertrauen über vier gemeinsame Jahre hinweg danken. Außerdem danke ich allen Menschen und Institutionen, die dieses Festival möglich machen – durch ihre finanzielle und ideelle Förderung, durch ihre Räume, ihre Netzwerke und ihre Begeisterungsfähigkeit! Insbesondere freue ich mich, dass Stadt und Kreismusikschule Helmstedt von Anfang an völlig Feuer und Flamme für die Idee eines Festivals Neuer Musik in Helmstedt und uns somit nicht nur zuverlässige Partner bei Planung und Vorbereitung waren, sondern auch keinen Moment gezögert haben, sich selbst künstlerisch einzubringen: So erwarten Sie im Festival gleich zwei Veranstaltungen unter Beteiligung von Schüler:innen und Lehrenden der Kreismusikschule.
Und Ihnen, dem Publikum, wünsche ich aufregende, sinnliche und erkenntnisreiche Musikerlebnisse – und vielleicht die eine oder andere Verwandlung …
Bis bald in Helmstedt!
Foto: Lena Ures